Strafrecht – Bewährungswiderruf

Veröffentlicht am 29. Dezember 2018 um 15.13 Uhr • Permanenter Link

Wer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, dem droht der Widerruf der Bewährung, wenn er innerhalb der Bewährungszeit Straftaten begeht. Wie verhält es sich, wenn wegen der neuen Straftaten (Anlasstaten) ein erstinstanzliches Urteil vorliegt, aber das Geständnis aus der Hauptverhandlung widerrufen und gegen das Urteil uneingeschränkt Berufung eingelegt wird?

„… Nach § 56f Abs.1 Satz 1 Nr.1 StGB wird die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag (§56 Abs.1 u. 2 StGB), nicht erfüllt hat und wenn weitere Auflagen oder Weisungen oder eine Verlängerung von Bewährungs- oder Unterstellungszeiten nicht ausreichen. Im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung steht der Bewährungsbruch fest. In allen übrigen Fällen muss sich das die Bewährung überwachende Gericht eine eigene Überzeugung bilden, ob der Verurteilte erneut straffällig geworden ist … Inzwischen besteht jedoch in Rechtsprechung und Literatur überwiegend Einigkeit, dass … als Anlasstat … nur eine solche in Betracht kommt, die nach Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens durch ein unabhängiges Gericht wenigstens erstinstanzlich festgestellt wurde … oder die der Verurteilte glaubhaft vor Gericht eingestanden hat.“(LG Dresden, Beschluss vom 12.12.2018, Az. 16 Qs 46/18)

Welche Anforderungen muss ein gerichtliches Geständnis erfüllen, das vor rechtskräftiger Verurteilung der Anlasstat zu einem Bewährungswiderruf führt?

„… Das Urteil stützt sich nahezu ausschließlich auf das Geständnis des Angeklagten und dieses wiederum erschöpft sich, wie auch dem Protokoll der Hauptverhandlung zu entnehmen ist, weitestgehend in einem schlichten Eingeständnis des Anklagevorwurfs. Tatsachen, die die abgeurteilten Straftatbestände erfüllen, hat der Verurteilte selbst nicht näher geschildert … Es ist daher zweifelhaft, ob das Geständnis in der Hauptverhandlung … konkret genug ist, um Anlass eines Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung zu bieten (vgl. VerfGH Sachsen, Beschluss vom 30.08.2018 – Vf. 73-IV-18 (HS)). Diese Frage allerdings kann offenbleiben, denn der Verurteilte hat gegen das Urteil … vollumfänglich Berufung eingelegt und sein Geständnis widerrufen. Damit entfällt die Wirkung des Geständnisses (vgl. EGMR, Urteil vom 12.11.2015 – 2130/10) … Vielmehr entfällt mit jedem wirksamen Geständniswiderruf die Rechtfertigung für den Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs.1 Satz 1 Nr.1 StGB. Die Unschuldsvermutung bildet insoweit den Grundsatz, der Bewährungswiderruf die Ausnahme. Entfällt die Ausnahme, verbleibt es bei dem Grundsatz, wonach jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt (Art. 6 Abs.2 EMRK).“ (LG Dresden, Beschluss vom 12.12.2018, Az. 16 Qs 46/18)

Es bedarf also eines glaubhaften und konkreten Geständnisses, das zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Bewährungswiderruf nicht widerrufen worden ist.